Aus:

Greil Marcus: Im faschistischen Badezimmer, 2001, 1994

Fear and Whiskey, das neue Album der Mekons, ist in dieser Bresche entstanden- und das heißt, daß diese Platte abwegig ist, eine nutzlose Kuriosität, ein Aphorismus und eben keine These, ein Beharren darauf, daß das Verschwindende das Wesentliche sei. Um es wieder zum Leben zu erwecken, muß man es mit altem Schmuck behängen. Die Platte wurde von Spinnern gemacht: Die Mekons, 1977 in Leeds formiert, als erste Punkband dieser Stadt, verpatzten im Handumdrehen ihre erste und einzige Chance, sich an eine große Plattenfirma zu verkaufen. Sie drangen immer tiefer in die Pop-Wüste vor, überlebten zahllose Umbesetzungen und Todesanzeigen (sogar die eigenhändig verfaßten) und sind bis heute drangeblieben.

Doch wenn Fear and Whiskey nur als Aphorismus wahrgenommen werden kann, welches Verschwindende wird dann von diesem Album als wesentlich betrachtet? Eine bittere Sentimentalität. Es ist die Musik einer kleinen Gruppe von Leuten, die früher einmal, während eines Pop-Moments, der mittlerweile fast ein Jahrzehnt zurückliegt, glaubten, daß alles möglich sei, und die heute in einer Gesellschaft leben, in der alle ihre Wünsche nicht mehr sein können als etwas Verschwindendes. Sie tragen immer noch den alten Schmuck der Punk-Ideologie von 1976: ein NO FUTURE, das irgendwie in ein Abenteuer verwandelt wurde und den Mekons einen Schallplattenvertrag mit einer großen Plattenfirma bescherte. Womöglich ist ihre Musik heute stärker als je zuvor, doch verglichen mit dem Selbstvertrauen der MainstreamMusik offenbart ihre Musik einen unmißverständlichen Unterton von Selbstironie, Erniedrigung und Beschämung, weil sie zur Randerscheinung verdammt ist. Fear and Whiskey ist bloß Furcht und Whiskey, Nervosität und Vergessen; es ist die Musik von Leuten, die davon überzeugt sind, daß ihnen die Welt, die sie nicht verändern können, niemals einen Platz einräumen wird, daß die Dinge, die sie zu sagen haben, niemals gehört werden.

Und trotzdem geschieht in der Musik der Mekons keine Objektivierung. Man hört eine kleine Gruppe von Leuten, die miteinander reden; der Zuhörer gerät in eine Unterhaltung. Ihr Thema ist Verbitterung; Sentimentalität, die abgeschnittene Sehnsucht nach dem richtigen Leben, hält diese Unterhaltung in Gang. Diese Leute warten: nicht darauf, daß die Welt sich verändert, sondern auf das Ende ihres Lebens. Doch bis es soweit ist, reden sie miteinander. Ihr Gespräch ist so wie jedes andere: Was gibt's Neues? Nicht viel. Na hör mal, wir haben uns doch seit Monaten nicht gesehen. Na ja. . .

Artforum,

Dezember 1985


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